Zene Artzney

Die Zahnheilkunde in der Karikatur (3)


Der Zahnarzt ist bereits beim Auftauchen der ersten Karikatur ein beliebtes Sujet. Er steht nach wie vor als Repräsentant eines bestimmten Berufsstandes im Licht der Öffentlichkeit. Ihn kennt jedermann, und so gilt auch der Darstellung des Arztes oder Zahnarztes keine besondere Vorliebe, sondern seinem Symbolwert, weil Krankheiten im Leben des Menschen einen so wichtigen Faktor bilden. Es gibt wohl keine unangenehme oder schlechte menschliche Eigenart, die ihm nicht angedichtet wird. Grobheit, Geldgier, Machogehabe, Rachsucht und vieles mehr sind Eigenschaften, über die man sich beim Zahnarzt lustig gemacht hat und noch immer macht.

Aber man kann ja auch nicht ernsthaft annehmen, daß gerade die Tätigkeit unseres Berufsstandes ohne seelische Rückwirkung auf die Patienten bleibt. Machen wir uns überhaupt bewußt, daß der Kontakt zwischen Zahnarzt und Patient für die meisten Patienten zumindest unangenehm ist? Viele Menschen haben sogar eine panische Angst vor uns und schlafen vor ihrem Behandlungstermin nächtelang nicht oder haben schon tagelang vorher Schmerzen, bevor sie uns überhaupt aufsuchen. Eine völlig normale, komplikationslos verlaufende Weisheitszahnextraktion ist für den Zahnarzt eine Routineangelegenheit, über die er nicht weiter nachdenkt. Für den Patienten bedeutet es nicht selten ein traumatisches Erlebnis, verbunden mit tagelangem Stress schon vor dem Eingriff. Auch dieser selbst wird von ihm ganz anders empfunden. Das Aufsperren des Mundes, die Geräusche, das „Ausgeliefert sein", führt zu dem subjektiven Eindruck, das Ganze müsse bestimmt eine Stunde gedauert haben. So wird aus einem legeartis-Vorgang ein Erlebnis, welches der Phantasie eines seelisch gestressten Patienten entspringt. Um die Angelegenheit noch eindrucksvoller zu machen, wird dann beim Weitererzählen des Geschehnisses der Zeitaufwand noch weiter extendiert oder das ganze Ereignis vergröbert oder verzerrt weitergegeben. Es ist also kein Wunder, daß wir bei den meisten Darstellungen, die uns bei der Ausübung unserer Tätigkeit zeigen, nicht besonders gut wegkommen, denn die alten Karikaturen überliefern zwar manchmal den Stand und die damaligen Kenntnisse in der Zahnheilkunde, schildern aber weniger den Behandlungsabiauf an sich, sondern befassen sich eher mit der psychologischen Seite des Geschehens. Sie geben also einen Einblick in das Seelenleben des damaligen Patienten.

Der Zahnschmerz gehört zu den intensivsten Schmerzen überhaupt, aber er ist nicht lebensgefährlich. Dies ist für die karikaturistische Darstellung ein wesentlicher Faktor. Er ist es, der den Patient zum Behandler getrieben hat. Fast immer wird der Zahnschmerz durch eine imponierende Schwellung der Wange und durch das um den Kopf gebundene Tuch dargestellt. Die Angst vor der Behandlung, meist noch größer als der Schmerz, steht den Patienten im Gesicht geschrieben. Ihre angespannten Gesichter haben Falten, der Körper ist gekrümmt, während der Behandlung besteht eine latente Abwehrbereitschaft, ausgedrückt durch erhobene Arme und Beine. Wie schon erwähnt, steht das Thema „Grobheit" an erster Stelle. Dafür sind sicherlich nicht nur eigene persönliche Erfahrungen verantwortlich, sondern auch die Erzählungen von Eltern und Großeltern, die vielleicht noch den „Dorfschmied" am eigenen Leib erlebt haben, der den Zahn selbstverständlich ohne Betäubung gezogen hat. Aber auch viele Darstellungen der Gaukler und Scharlatane der vergangenen Zeit, die mit der modernen Zahnmedizin schon lange nichts mehr gemein haben, sind immer noch präsent.

Das Bemühen des Zahnarztes in den Karikaturen ist rein auf die Schmerzbeseitigung mit der Extraktion gerichtet. Der Zahnarzt konzentriert sich nur auf das Objekt „Zahn" und nicht auf den Menschen im Gesamten. Die Szenerie gleicht einer Kampfszene, und von der heutigen Forderung nach einer gleichberechtigten Arzt-Patientenbeziehung ist noch keine Rede. Der Zahnarzt als Macho oder Sexist (wer hat von uns nicht schon einmal den Satz gehört: „Lieber würde ich noch einmal ein Kind, als den Zahn gefüllt zu bekommen". Aber hat schon einmal einer den Satz erwidert: „Meinetwegen, aber überlegen Sie es sich gut, bevor ich den Behandlungsstuhl einstelle?" Wohl kaum, aber der Karikaturist legt uns diese Antwort in den Mund.) Das Thema Rachsucht, Arroganz, Geldgier aber auch Sozialneid, also Themen oder Motive, die nicht unbedingt berufsspezifisch sind, sondern eigentlich typisch menschlich, das Verspotten von ethnischen oder religiösen Gruppen und Berufsständen - alles eignete sich zum Transfer auf die zahnärztliche Profession.

Im 20. Jahrhundert tritt die Karikatur als humoristische Witzezeichnung immer häufiger in Erscheinung. Zu den Themen gehören die Zahnbehandlung in allen Varianten, die Angstund Schmerzthematik und die Erotik- und Ehewitze. An der Situation des „Ausgeliefertseins" im Behandlungsstuhl des Zahnarztes und der Angst vor der Behandlung hat sich, trotz der Fortschritte und dem hohen Standard der Zahnheilkunde, wenig geändert. Daher ist das Interesse an Karikaturen, die sich mit den genannten Themen befassen, auch bestehen geblieben. Bei der Darstellung der Behandlung ist jedoch eine Verlagerung von der Extraktion zur konservativen Behandlung zu konstatieren. Symbol dieser Angst ist das sogenannte Doriot-Gestänge. Eine zunehmende Rolle spielt auch die Angst vor der Spritze. Bemerkenswerterweise hat die Anzahl der Zeichnungen, in denen die zahnärztliche Behandlung ohne Angst und Schmerz erlebt wird, zugenommen. Dies gilt auch für das Interesse an der Person des Zahnarztes und natürlich auch an der Honorarfrage. Gesellschaftliche Vorurteile gegenüber Frauen spiegeln sich in Erotik- und Ehewitzen wider. Fachliche Qualitäten als Zahnärztinnen werden überhaupt nicht registriert, lediglich die körperlich-sexuelle Attraktivität dominiert den Inhalt. Technische Neuentwicklungen spielen kaum eine Rolle, und wenn, ist deren Beurteilung weniger von der Realität als von der subjektiven Betrachtungsweise und den Vorurteilen der Patienten geprägt. Als humoristische Witzezeichnung in Fachblättern, auf Postkarten und Werbekärtchen für die unterschiedlichsten Produkte oder in den schon erwähnten Cartoons und Comics wird sie zu einer besonderen Art Kommentar gegen Sitten und Gebräuche, gegen Politik und Mißstände. Der Rückgang der Darstellung des „brutalen Grobians" belegt jedoch auch ein zunehmendes Vertrauen in die Entwicklung der Zahnmedizin und das fachliche Können des Zahnarztes an sich, also durchaus eine zunehmende Wertschätzung. Zudem ist der Ton der zahnärztlichen Darstellungen weniger bissig und aggressiv. Die Darstellung von Kindern und Tieren in der Zahnarzt-Patientenbeziehung verniedlichen jede Art von Karikatur und führen zu einer fast zärtlichen Betrachtungsweise. Die Leistungen und der hohe Standard der Zahnheilkunde scheinen auch in den Augen der Spötter ihren Niederschlag gefunden zu haben. Alle Verbesserungen des Vertrauensverhältnisses können nicht übersehen lassen, daß auch in der Gegenwart noch viel zu tun bleibt, die manchmal versteckten oder sich stauenden Aggressionen abzubauen oder ganz zu beseitigen. Manchmal scheint die Unvernunft der Erwachsenen fast größer als die der Kinder, deshalb gehört zum notwendigen und schwierigen Beruf des Zahnarztes nicht nur großes theoretisches Wissen und manuelles Geschick, sondern auch ein großer Teil psychologisches Einfühlungsvermögen.

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